Lutz Rudolph in Gera. Photo Jürgen Frenkel.
Lutz Rudolph (* 28. September 1936 in Gera; † 7. März 2011 in Berlin) war ein deutscher Formgestalter.
Seine Entwürfe und Produkte zählen zu den Klassikern des DDR-Designs.
1936
Am 28. September in Gera geboren. Sein Vater Hans (1905-1993) ist ein aus Berlin stammender Maler, der sich als Entwurfslithograf in Gera niederlässt. Das Wohnhaus der Familie in der Dürrenebersdorfer Straße entsteht nach eigenen Entwürfen unter Einfluss von Tilo Schoder, einem Schüler von Henry van de Velde. Lutz Rudolph wächst in einer musisch geprägten Umgebung auf. Die Affinität zum Bauhaus, das zu dieser Zeit nicht nur aus Weimar, sondern aus ganz Deutschland vertrieben war, zeigt sich nicht nur in der Gestalt, sondern auch in der Einrichtung des Hauses, darunter Möbel von Marcel Breuer und Mart Stam. Bis zu seinem 16. Lebensjahr besucht Lutz Rudolph die Schule in Gera.
1952-1955
Der vielseitig begabte Jugendliche kommt mit 16 Jahren an die Landesinternatsschule Schnepfenthal. 1955 legt Lutz Rudolph dort das Abitur ab.
1955-1960
Lutz Rudolph besteht die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin-Weißensee. Für den Studenten spielen Ernst Rudolf Vogenauer als Leiter der Abteilung Formgestaltung für die Industrie, Rudi Högner (Mitarbeiter und späterer Leiter) und der Bauhausschüler Selman Selmanagić, der der Architekturabteilung vorsteht, eine große Rolle. Besonderen Einfluss üben das Bauhaus und das Werk von Le Corbusier auf den angehenden Gestalter aus. Er setzt sich aber auch mit der Klassischen Moderne, mit den Brücke-Künstlern, der Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“, mit Picasso, den Fauves, auch mit zeitgenössischer Literatur und den Stücken des Brecht-Theaters am Schiffbauerdamm auseinander.
An der Kunsthochschule lernt er seinen langjährigen Partner Karl Clauss Dietel kennen, mit dem er über 40 Jahre zusammenarbeiten wird.
1960-1967
Als junger Absolvent wird Lutz Rudolph wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Kunst Berlin (später Zentralinstitut für Formgestaltung bzw. Zentralinstitut für Gestaltung). Dort gehört zur künstlerisch-operativen Abteilung (Leiter: Georg Friedrich Saalborn). Er ist als Leiter der Unterabteilung Automobilbau, Schienenfahrzeuge und Schiffbau zuständig für die Erarbeitung von Maßnahmen- und Entwicklungsplänen zur Einbeziehung von Gestaltern. In dieser Funktion entwickelt er die Formgestaltung des PKW Wartburg 353 Kombi/Camping „tourist“. 1964 veranstaltet das Zentralinstitut für Gestaltung die Ausstellung „Kulturelle und ökonomische Bedeutung der Formgestaltung“, die den Anspruch an Industrieformgestaltung demonstriert.
Bei einem Besuch der Leipziger Messe mit Karl Clauss Dietel lernen beide am Stand von HELI-Radio Firmengründer Bodo Hempel kennen. Aus diesem Kontakt erwächst eine jahrzehntelange Zusammenarbeit, die 1960 mit dem Firmensignet und den ersten Rundfunkgerätekombinationen RK 1 und RK 2 beginnt. Mit dem Stereoradio rk 5 senit und den Lautsprecherkugelboxen k 20 startet 1967 eine neue Produktlinie nach dem Baukastensystem.
Die beiden Formgestalter entwickeln für Simson Suhl, dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“ und dem Trabant-Hersteller VEB Sachsenring Zwickau mehrere Moped- und Autoentwürfe.
Bereits 1961 gelingt Lutz Rudolph mit der Stehleuchte Typ 8428 Kontrast (VEB Leuchtenbau Lengefeld) ein Produkt, das als „Ikone des DDR-Funktionalismus“ bezeichnet wird. In „Stierblutjahre“ heißt es: „… jene Lampe, die zum Fanal der Moderne wurde, die Legendäre aus den Sechzigern, die damals in jeder Ladenwohnung, in jedem Atelier leuchtete. Eine Lampe ewiger Nützlichkeit und zeitloser Schönheit, helle Zeugin des Aufbruchs.“ Für die Leuchtenserie und eine Geflügelschere erhält Lutz Rudolph am 12. September 1962 die Goldmedaille „Für hervorragende Formgebung“.
Gemeinsam mit Klaus Musinowski, Kollege am Institut für angewandte Kunst, entwirft Lutz Rudolph das Kaffeebrühgerät Moccadolly.
1962
Heirat mit Marie Brandt in Berlin-Weißensee.
1963
Lutz Rudolph wird Mitglied im Verband Bildender Künstler. Er gehört zu den ersten Formgestaltern, die aufgenommen werden. 1964 wird seine Tochter Ania geboren.
1967-1968
Die zunehmende Reglementierung am Zentralinstitut für Gestaltung veranlasst Lutz Rudolph zur Annahme einer Aspirantur an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin-Weißensee. Er arbeitet mit Stefan Scheitler am Nachfolger des B 1000 für die VEB Barkas-Werke Karl-Marx-Stadt.
Bei der Arbeit an einem Modell zur Gestaltung der späteren Baureihe S 50/51 (VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl) verfahren Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph 1967 erstmals nach dem „offenen Prinzip“. Dabei werden einem Grundkonzept alle anderen Bauteile offen sichtbar zugeordnet. Sie stellen sich damit konsequent und bewusst gegen die Vollverkleidung von Zweirädern.
1968
Lutz Rudolph verlässt die Kunsthochschule und arbeitet ab diesem Zeitpunkt als freiberuflicher Gestalter. Zusammen mit Karl Clauss Dietel und Dieter von Amende wird die Formgestalter-Arbeitsgruppe „Kollektiv 3f“ mit eigenem Signet – drei gleichdicke, aber verschieden gekrümmte Striche – begründet. Zu ihren Entwürfen gehören eine Kernschießmaschine und Deckenelemente für den Palast der Republik. Ihre gemeinsame Arbeit endet 1973 mit der Ausreise von Dieter von Amende, wird aber nach 1990 fortgesetzt.
1971
Hauskauf auf Rügen: Lutz Rudolph erwirbt ein aus dem Jahr 1730 stammendes Reeddachhaus in Freetz. Weit ab von der Großstadt und der Einflussnahme staatlicher Stellen arbeitet er an diesem abgeschiedenen Ort meist vom Frühjahr bis zum Herbst.
1974/75
Lutz Rudolph zieht mit seiner Familie von Weißensee in Wohnung und Atelier an den Kollwitzplatz. In der Zeitschrift „Kultur im Heim“ erscheint ein mehrseitiger Artikel, der seine Wohnumgebung und Gestaltungsentwürfe vorstellt.
1975
Im VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl beginnt die Serienfertigung des Mokick Simson S 50 B. Das sportliche Zweirad wird ein großer Erfolg. Aus der Zusammenarbeit mit dem Fahrzeughersteller, die 1975 beginnt und 1988 endet, entstehen eine Reihe von Mopeds und Motorrollern.
1976
Mit dem Stahlrohrsessel U entwirft Lutz Rudolph ein Sitzmöbel als Selbstbausatz. Er sieht seine Arbeit in direkter Nachfolge von Marcel Breuer, Mart Stam und Le Corbusier. Der Stahlrohrsessel wird zusammen mit weiteren Arbeiten von Lutz Rudolph auf der VIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden ausgestellt.
1978
Lutz Rudolph beschäftigt sich mit Kunst am Bau. Die erste größere Arbeit, die realisiert wird, ist die Fassadengestaltung des VEB Volkswerft Stralsund mit einem Emaillemosaik und Betonplastik am Haupteingang. Im Innern schafft er ein Travertinrelief für das Foyer. 1981 gestaltet er die Fassade der neugebauten Fachschule für Außenwirtschaft Berlin „Josef Orlopp“ (mit Jürgen Frenkel) und die Fassade des Forschungszentrums für Biotechnologie und Gentechnik (1989, zusammen mit Ulrich Reimkasten und Matthias Frotscher).
1979
Wegen fehlender Mittel wird das Auto-Projekt P 610 (Nachfolger des Trabant 601) eingestellt. Damit endet für Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph die jahrelange Zusammenarbeit mit dem VEB Sachsenring Zwickau. Entstanden sind mehrere Pkw-Studien, die teilweise bis zum Funktionsmuster geführt werden. Keines der Fahrzeuge erlangt wegen der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen Serienreife.
1984
Lutz Rudolph erhält zusammen mit Karl Clauss Dietel den Designpreis der DDR für „hervorragende Leistungen“.
Ab diesem Zeitpunkt wird es für freiberufliche Industrieformgestalter aber immer schwerer, mit Großbetrieben zusammenzuarbeiten. Zusammen mit Jürgen Frenkel beteiligt sich Lutz Rudolph an einem Wettbewerb zum Konzept der visuellen Gestaltung der Berliner Verkehrsbetriebe.
1985
In der repräsentativen Ausstellung „suche nach der gestalt der dinge“ wird am Karl-Marx-Städter Theaterplatz das Schaffen der beiden Formgestalter Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph vorgestellt. Neuestes Produkt der beiden Formgestalter ist eine MZ für den VEB Motoradwerk Zschopau, die ab Herbst 1985 in Produktion geht.
Für den Vorplatz des S-Bahnhofes Berlin-Wartenberg entwirft Lutz Rudolph zusammen mit Ulrich Reimkasten und Matthias Frotscher ein farbiges Bodenmosaik.
1988
Lutz Rudolph beteiligt sich mit Ulrich Reimkasten, Matthias Frotscher und dem Weißenseer Kommilitonen Ting-I Li an einem internationalen Wettbewerb zum Thema „Diomedes Islands“.
1990
Zusammen mit Jürgen Frenkel übernimmt Lutz Rudolph Gestaltungsaufgaben in der Oper Chemnitz, darunter eine Fußbodenintarsie und das Deckenrelief im Foyer.
1991-1999
Für die Porsche AG in Stuttgart und das neue VW-Werk in Bratislava erarbeiten Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph Gestaltungskonzepte (Rohbau), für die Sigma GmbH Chemnitz multifunktionale Telefone. Gemeinsam mit Dieter von Amende beteiligen sie sich an einem Wettbewerb der Deutschen Bahn AG für den Regionalexpress Rex. 1996 nimmt Lutz Rudolph mit Ulrich Reimkasten an einem Wettbewerb für das zentrale Gebäude des neuen Campus der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Ernst-Abbe-Platz) teil. Ihre Konzeption gewinnt und wird in wesentlichen Teilen, Fußbodenintarsien und räumliche Strukturen, realisiert.
2006
Mit der Ausstellung „Gestaltung ist Kultur“ in der Sammlung industrielle Gestaltung auf dem Gelände der KulturBrauerei Berlin wird das Schaffen von Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph gewürdigt.
2011
Am 6. März stirbt Lutz Rudolph nach langer schwerer Krankheit.